Donnerstag, 13. August 2009

Erzählung

Auszug "Kanon für drei Stimmen"



Am Morgen deckt er den Tisch. Er legt einen Croissant auf Nadias Teller, zündet eine Kerze an. „Gibt es was zu feiern?“, fragt Nadia, die frisch geduscht und im Bademantel in die Küche kommt. „Uns gibt es zu feiern“, entgegnet er. „Jeden Tag.“ Nadia wuschelt ihm liebevoll durchs Haar und es fühlt sich an, als sei alles gut. Er nimmt sie erleichtert in seine Arme, gräbt den Kopf in die warme parfümierte Beuge ihres Halses. „Komm“, löst er sich schließlich, schiebt einen der Stühle hervor, „setz dich, Süße. Genießen wir die Zeit, die wir für uns haben.“ Nadia wirft einen Blick auf die Küchenuhr, die über dem Gewürzbord hängt. „Naja, viel Zeit zum gemeinsamen Genießen ist nicht“, bemerkt sie. „Marill kommt in einer Stunde mit Selma zurück. Dann wollen beide Mädels von mir zum Schwimmbad gefahren werden.“ „Jesses!“, stöhnt er gespielt auf und schlägt sich mit beiden Händen auf die Schenkel. „Himmeldonnerwetter! Was die nicht alles wollen, die Mädels von heute! Ist das nicht zum Heulen, dass wir uns so korrupieren lassen von der halbwüchsigen Unterklasse!“ Nadia lacht auf, wirft ihm über den Tisch hinweg eine Kusshand zu. „Nimm's locker, Papachen! Wir kommen damit klar!“ Er nimmt das Messer zum Schmieren seines Brötchens in die Hand. „Du, oder ich?“

„Und du denkst nicht, dass das zu viel von dem Grünzeug ist?“, mault Marill und starrt angewidert auf die Brotbox, die Nadia gerade schließt. Nadia schaut entschlossen. „Nein, das denke ich nicht. Es ist ein Apfel, Marill. Weiter nichts. Ein Apfel.“ „In Scheibchen geschnitten!“, nörgelt Marill weiter. „Mensch, Mama! Das Ding pack ich nie aus! Das wird da drin faulen und schimmeln bis es stinkt! Ich tanze doch nicht an auf dem Hof und hole ne Brotbox mit geschnittenem Apfel aus dem Rucksack! Da packen sich alle weg!“ „Ist das jetzt so?“ Nadia schaut interessiert, Marill wendet sich verlegen von ihr ab. „Was glaubst du denn? Mann, so alt bist du doch noch gar nicht!“ „Na, vielleicht ja doch“, entgegnet Nadia und streicht ihrer Tochter über den Kopf. „So insgeheim.“ „Gequirlte Scheiße!“, befindet Marill und beugt sich zum Rucksack, der vor ihren Füßen liegt, herunter. „Schlechte Stimmung? Morgen, die Damen!“ Er legt einen Arm um Nadias Hüfte, zieht sie an sich. Nadia hebt den Kopf zu ihm auf und erwidert den Kuss, den er ihr auf die Lippen setzt. „Marill findet Apfelscheiben doof“, erklärt sie. „Seit sie neun ist, Baby!“, nickt er, klopft Nadia wie tröstend auf die Schulter, wirft einen Blick zur Kaffeemaschine. „Ah“, stellt er befriedigt fest. „Du hast schon einen gekocht.“ Dann sieht er lächelnd zu der verblüfft drein schauenden Nadia. „Mach dir nichts draus! Du versuchst es immer wieder! Seit vier Jahren! Das nenne ich mal mütterliche Ausdauer!“ Marill verstaut die Brotbox und schließt den Rucksack. „Ich find's nur nervig!“ „Das sollst du auch“, entgegnet er nüchtern. „Das ist die Taktik dahinter. Es soll dich solange nerven, bis du kapitulierst und jeden einzelnen nächsten Morgen mit Vehemenz deinen Apfel in Scheibchen verlangst.“ Marill verdreht die Augen, wirft sich den Rucksack über. „Ihr tickt doch beide manchmal daneben!“ Er lacht dunkel auf, nimmt sich einen Becher vom Küchenregal und gießt sich einen Kaffee ein. „Unser Mädchen wird wohlerzogen bis ans Ende ihrer Tage bleiben“, scherzt er leichthin. „Kein Grund also, sich Sorgen zu machen.“ „Schön wäre -“, sagt Marill gepresst beim Hinausgehen, „ihr würdet mich langsam ernst nehmen. Oder euch, oder so.“ Jetzt sieht er verblüfft aus. „Habe ich was verpasst?“, wendet er sich an Nadia. Nadia winkt ab und nimmt sich selbst auch einen Becher vom Küchenregal. „Ich denk mal“, meint sie dann ernst, „darüber müssen wir nachdenken.“ „Ach“, entgegnet er und tut es ab, „das ist jugendliche Laune, die sich durchschlägt. Das kommt und geht, das Aufbegehren. Fast ist sie um diese Form der Spontanität zu beneiden.“ „Wenn man Spaß an Kriegsführung hat“, erwidert sie kühl und wendet sich von ihm ab. Was das nun bedeuten solle, fragt er.

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