Mittwoch, 22. April 2009

Erzählung

Auszug "Suz"


Er sieht ihn schon von Weitem. Den Mann. Im Foyer. Er erinnert sich an ihn. In diesem Augenblick, in welchem er daherkommt aus der Bar - in der einen Hand das Weinglas mit dem Merlot, in der anderen Hand die eben gezogene Schachtel Zigaretten - erinnert er sich; also sieht er den Mann im Foyer, unschlüssig stehend, nicht das erste Mal. Es kann das erste Mal nicht sein. Er fragt sich selbst, unsicher werdend. Eine Erinnerung ist die unbewusste Abfolge vergangener Bilder und die Darstellung eines daraus, der gegenwärtigen Situation entsprechenden, gewählten Bildes, nicht Herr Akademiker? Er lacht über sich. Trottel. Er applaudiert sich, dass es noch funktioniert, das eitle Ego. Keinen Schritt bewegt sich der Mann im Mantel aus der reglosen Position heraus. Ihn aber lenkt es auf ihn zu. Er scheint ein Mittvierziger. Lässig unter dem Mantel gekleidet, vermutet er, nachdem er einen Blick auf die wenig freiliegenden Hosenbeine erfassen kann. Jeansstoff. An den Füßen trägt er Turnschuhe. Eine bekannte Marke. Der Mann steht noch immer unbewegt, mit keiner Frage im Gesicht, noch mit einer sonstigen Regung, die einen nächsten Schritt verraten würde. Schon ist er dicht zu ihm aufgerückt. Schon steht er ihm nah, und in sein unbewegtes Gesicht starrend, gegenüber. Und? fragt er. Wie? fragt dieser und entgegnet jetzt seinem misstrauischen Blick. Kommst du von ihr, oder willst du noch zu ihr? Er hebt das Glas mit dem Merlot an zum Mund, netzt den Rand des Glases mit seinen Lippen, nimmt einen tiefen Schluck, starrt. Entschuldigen Sie. Der Mittvierziger deutet einen Schritt an, auf ihn zu, senkt den Kopf für Minuten, steckt die Hände in seine Manteltaschen, geht einige Schritte zurück, kehrt ihm dann den Rücken zu. Er fasst rasch vor, fasst ins Leere; setzt sich in Gang, lässt die Rädchen laufen, die Gedanken, holt ihn auf, den Fremden, greift und fasst Mantelstoff. Der Mann dreht sich um, dreht sich zu ihm. Er hat ein breites unbeholfenes Grinsen auf den Lippen. Seine Augen verraten Unbehagen, vielleicht Angst. Angst, er könnte Angst vor mir haben, denkt er. Wenn er weiß, worum es geht - und es scheint, als wüsste er - könnte er, berechtigterweise, Angst haben vor mir. Und? fragt er erneut. Der Mittvierziger grinst breiter, grinst unbeholfener. Pardon. Pardon, was? fragt er, ärgerlich werdend. Wir kennen uns nicht, entgegnet der Fremde. Wir kennen sie, erwidert er. Pardon. Ich weiß wirklich nicht, um was es hier geht. Er hebt eine Braue. Soso, Sie wollen mir weismachen, Sie wüssten nicht, um was es hier ginge. Wissen Sie, ich sehe Sie nicht das erste Mal hier stehen. Ich habe ein Zimmer in diesem Hotel, entgegnet der Fremde. Es scheint ihm die Entgegnung des fremden Mannes eine Spur zu kleinlaut. Dann und wann habe auch ich ein Zimmer in diesem Hotel, blafft er zynisch. Es ist ein gutes Hotel. Es spricht nichts gegen dieses Hotel, sagt der bemantelte Mittvierziger jetzt und senkt erneut den Blick. Wie ist sie mit dir? fragt er. Pardon? fragt der andere verständnislos. Ist sie aufrichtig mit dir, oder zahlst du? Der Fremde hebt die Hand auf zum Mund, hüstelt.

6 Kommentare:

  1. Wie lang ist/wird denn die Erzählung insgesamt? Bei mir wäre dieser Auszug schon die halbe Erzählung. :-)

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  2. Das ist für mich immer gar nicht so genau zu sagen. ;) Diese Textkörper, die ich zunächst eine Erzählung schimpfe, bekommen eine Eigendynamik manchmal. Manchmal nicht. Bali, beispielsweise, hat in seiner bisherigen Länge (ca. 8o Seiten) ja im Grunde eine Erzählung überschritten, und nur selten, so insgeheim, wag ich mich bei Bali an soetwas wie an einen entstehenden Roman zu denken. Mir ist solch ein Gedanke oft noch unheimlich. Vermutlich mag ich mich da einfach überraschen lassen.

    Wie geht es dir? Ich komme hier noch immer wenig gut zurecht mit den diversen Funktionen. Bilder einfügen, in den Blog bringen - das stellt sich gerade als eine größere Herausforderung quer in den Weg. :(

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  3. So wie dein Blog inzwischen aussieht, scheinst du dich doch sehr gut auszukennen!
    Ich beschränke mich auf die nötigsten Funktionen. Zu dem Layout für meinen Blog kam ich nur durch Zufall, plötzlich sah das so aus. ;-)
    Und wie ich den Nils Becker verschwinden lassen kann, habe ich trotz mehrfachen Tötungsversuchs nicht herausfinden können... :-)

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  4. Ja, mittlerweile "funzt es" dann doch. Das Video allerdings hätte ich da gerne wieder raus, was nicht geht. Noch nicht. Ich werde bestimmt bald auf eine Lösung des Problems kommen.

    Ich wünsch dir ein schönes Wochenende und eile mal noch rüber, um deinen neuen Eintrag zu lesen.

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  5. Juchuuuu! Nils Becker ist tot! *g*

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  6. :) Das ist er. Aber verrat du mir bitte noch, wie sich - vorallem wo - ein Bild einfügen lässt, dass dann auf den jeweils anderen Seiten (diese die man lesend verfolgt) erscheint.

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